Es gibt viele Spielarten in der Frauenbewegung. Eine heißt Differenzfeminismus. Differenzfeministen gehen davon aus, dass es eine natürliche Differenz zwischen den Geschlechtern gibt. Und sie verwahren sich dagegen, dass man an Frauen männliche Maßstäbe anlegt. Frauen seien ihrer Ansicht nach auf der psychologischen Ebene einfühlsamer, sanfter und mütterlicher als Männer. Auf der physiologischen würden auch Unterschiede bestehen, zum Beispiel haben nur Frauen eine weibliche Eizelle.
Während einige die Unterschiede zwischen Männern und Frauen negieren, feiert der Differenzfeminist sie. Insbesondere will man eben als Frau nicht so sein müssen wie ein Mann, um Gleichberechtigung zu erreichen. Drum erklärt man die weibliche Art für erstrebenswert. Damit verbunden ist dann auch eine Essentialisierung des Männlichen, die den Herren vielleicht nicht immer so gefällt. Männer wären aggressiv, rücksichtslos und herrisch.
Das Problem mit dieser Spielart des Feminismus ist – man ahnt es schon – dass es ja auch Männer gibt, die einfühlsam, sanft und mütterlich sind, wenn mütterlich aufopfernd oder uneigennützig heißt. Ebenfalls fragwürdig ist es, die Männer schlecht zu machen, um sich selbst als umso großartiger darzustellen. Schließlich soll es ja auch schon Frauen gegeben haben, die keine Engel waren. Ilse Koch ist so ein Beispiel. Koch war die Frau des Kommandanten von Buchenwald. Ob alle Geschichten stimmen, die man über sie erzählt, will ich nicht bewerten. Aber sie war fraglos ein Menschenschinder, und es hat ihr Spaß gemacht, Häftlinge zu quälen. Wäre das dann unweiblich?
Grundsätzlich ist es mir dennoch sympathisch, wenn Frauen sich als Frauen positiv beschreiben und kein Problem mit ihrem Geschlecht haben. Auch wenn es wohl nicht ganz so einfach ist mit den Zuschreibungen. Immerhin gibt es schon genug Leute, so hat es den Anschein, die kommen nicht damit klar, Männer zu sein. Und was nun die Körperlichkeit besteht, da kann ich den Frauen überhaupt nicht widersprechen. Es ist eben ein Fakt, dass nur Frauen Eizellen haben. Verstehen kann ich auch, dass sie sich ärgern, wenn Männer behaupten, sie wären Frauen, weil sie sich so fühlten.
Das mal weiter gedacht: Jemand könnte ja auch behaupten, weil er das in sich fühlt, er wäre Christian Kümpel. Das würde ich geradezu als gefährlich empfinden. Denn dann würde er ja in meinem Bett neben meiner Frau schlafen und überhaupt alles machen dürfen, wozu nur Christian Kümpel berechtigt ist. Wenn er von den Autoritäten sogar als Christian Kümpel anerkannt würde, weil sie sich auf den Standpunkt stellen, Christian Kümpel ist ein soziales Konstrukt, das von jedermann mit Recht konstruiert werden könne, könnte man es ihm kaum verwehren. Vermutlich wäre dann schnell der Punkt gekommen, wo ich Gewalt für möglich hielte, um mich und meine Familie zu schützen. Hört sich das verrückt an? Sicher für die meisten Frauen auch, wenn Männer ihnen erzählen, dass sie Frauen wären und nun mit ihnen Frauensachen machten wollten.
Das Problem ist eben, das Wort Frau macht keinen Sinn mehr, wenn Männer nach Belieben auch Frauen sein können. Und ein weiteres Problem ist, dass Männer anfangen könnten, alle Grenzen, die Frauen schützen, nun einreißen könnten, weil sie unüberprüfbar ihr Frau-Sein behaupten und sie verlangten, dass dies allgemein anerkannt wird. Dass Frauen hier Gefahren sehen und sich schützen wollen, ist vollkommen verständlich. Darum stehe ich auch auf Seiten des Differenzfeminismus. Denn auch wenn er nicht in allem Recht hat, so ist sein Grundgedanke der, dass man Dinge nicht ins Belieben einer Gruppe oder eines Einzelnen stellen kann, richtig, und zwar nicht nur, weil es eine Realität gibt, die nicht wegzufühlen ist. Es zu tun, wäre äußerst bedrohlich für die meisten von uns.
Christian Kümpel
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