Die Spaltung bewirtschaften

Die Spaltung bewirtschaften

Spread the love

In der März-Ausgabe des Merkur wird von Steffen Mau, Soziologe, die Spaltung der Gesellschaft diskutiert. In seinem Text stellt er fest, dass das es ohne das Thema Kluft und Antagonismus nicht mehr abgehe. Flüchtlinge, Corona oder Gendern, alles spalte in unversöhnliche Lager. Vielleicht sei aber die Spaltung selbst das eigentliche Thema.

Mau führt dazu aus, dass die Gesellschaft vor dem Krieg sicher sozial gespalten war. Der Soziologe Helmuth Schelsky stellte im Kontrast dazu die Nachkriegsgesellschaft als nivellierte Mittelstandsgesellschaft dar. Man könnte ergänzen: Auch so in der ehemaligen DDR, in der kulturell und sozial Gleichheit Trumpf war. Ob diese Diagnose nun wirklich zutrifft, lässt Mau offen. Aber man hat das Bild einer Gesellschaft vor Augen, die sowohl ethnisch als auch sozial homogen war. Angesichts eines solchen Bildes, das vermutlich weichgezeichnet ist, ist es kein Wunder, dass man heute die Vergangenheit als die Zeit der Einheit empfindet.

Allerdings sei es heute nicht wirklich so, dass sich in allen Fragen unversöhnliche Lager gegenüberstünden. Zumindest lassen die die Daten diesen Schluss nicht zu. Tatsächlich komme es durchaus vor, dass Leute für mehr Flüchtlinge aus Afrika sein können, aber beim Thema Corona eher gegen die Impflicht. Und oft vertrete man in den Fragen keine Extrempositionen. Anders gesagt: Die Fronten verlaufen nicht immer so ganz deutlich und manche befinden sich mal rechts und mal links von der „Bruchlinie“, während immer noch die meisten sich mittig verorten.

Mau folgert, dass man mit der Spaltung nun zumindest was die Medien, politische Unternehmer oder Parteien betrifft, übersichtliche Strukturen geschaffen habe, indem man die Konfliktthemen akzentuiere. So betrachtet seien sie die Produzenten von etwas, das Mau als Inszenierung beschreibt, um die Spaltung zu bewirtschaften. Denn wenn man zum Beispiel das Thema Unisex-Toilette nehme, so ist es ideal, um hier die entsprechende Aufregung zu generieren, die jedenfalls nicht aus der Gesellschaft selbst kommt, sondern von ihren Rändern.

Wenn Mau recht hat, dann würde man ständig kontroverse Minderheitenthemen setzen, um Emotionen zu schüren. Identitätspolitik wäre zum Beispiel das Instrument dazu. Das ist nun in gewisser Hinsicht sehr ironisch. Denn die Medien und die Parteien sind es ja auch, die den Laden zusammenhalten, indem sie Diskussionen führen, die erst Gemeinsamkeit hervorbringen.

Jedenfalls ist der Gedanke spannend: Es gibt keine wirkliche Spaltung, sondern nur eine Bewirtschaftung derselben. Durchaus nachvollziehbar, wenn man die Gesellschaft als Gemeinschaft auffasst, die Aufmerksamkeit als Währung kennt, die immer wieder neu hergestellt werden muss, damit man im Rennen bleibt. Insofern wäre gerade die Identitätspolitik dann nichts weiter als das Produkt einer Aufmerksamkeitsgesellschaft, die solche Themen hervorbringt, um Wahrnehmung zu ermöglichen.

Christian Kümpel

Bild: Pixabay  


Spread the love

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.