Wut ist auch nur eine Sucht. Ich zumindest suche immer wieder im Internet Nachrichten, die mich triggern, wie man so schön sagt, damit ich schön wütend werde. Triggern heißt, dass die Meldungen etwas in mir auslösen, zum Beispiel Verärgerung oder Zorn. Aber auch Hohn, Verachtung und ähnliche Reaktionen kommen vor. Das geschieht bei mir zum Beispiel, wenn ich lese, dass bei Audi gegendert wird. Oder dass mal wieder jemand gecancelt wurde. Doch wie kommt es, dass ich, statt diese News zu vermeiden, sie stattdessen ständig nachfrage? Immerhin ist doch Wut angeblich kein gutes Gefühl. Da geht es mir genau so wie Linken und Linksliberalen. Denn auch sie lassen sich mit Vergnügen in Rage bringen. Zum Beispiel wenn jemand Zigeunerschnitzel sagt. Doch nochmal: Warum suchen wir alle Meldungen, die sich mit Gendern, LGTBQ und anderen Dingen auseinandersetzen, wenn sie uns so aufregen?
Die Antwort ist, Wut spricht das limbische System an, wo die Adrenalin-Ausschüttung stattfindet. Darüber hinaus kann Wut so ähnlichen zu einem High führen, so wie gefährliche Aktivitäten, zum Beispiel Felsklettern, Drogenkonsum oder hohe Geldeinsätze beim Spielen. In allen Fällen werden Dopamine ausgeschüttet. Das sind bekanntermaßen Glückshormone. Und so wird Wut bald ins Belohnungssystem eingespeist. Und irgendwann fangen wir an, süchtig nach Wut zu werden. Dann müssen wir unseren bald unseren Dealer fragen, ob er noch Stoff für uns hat, wenn die Wut nachlässt.
Natürlich helfen uns dann die Medien, damit uns das Dopamin nicht ausgeht. Facebook, Twitter und Co leben auch von unserer Wut. Wir selbst tun natürlich auch unseren Teil, die Sucht zu fördern, indem wir die Medien durch Aufmerksamkeit belohnen, was wiederum das System füttert. Es ist eben auch hier das gute alte System von Angebot und Nachfrage.
Doch auch wenn es Weinläden gibt, heißt es ja noch lange nicht, dass man das ganze Zeug im Geschäft auf einmal trinken muss. Vielmehr sollte gelten: Ein Glas Wein pro Tag ist in Ordnung. Das kann man genießen. Aber wenn man anfängt, nur noch den Wut-Kick zu suchen, verliert man sich. Und so kann man am der Stelle durchaus Yoda von Star Wars zitieren: „Zorn, Furcht, Aggressivität. Die dunklen Seiten der Macht sie sind. Besitz ergreifen sie leicht von dir.“ Wer also Herr im Haus der Gefühle bleiben will, der sollte daher darauf achten, sich nicht zu sehr der Sucht hinzugeben. Auch nicht der Wut-Sucht.
Christian Kümpel
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