Diskursherrschaft

Wenn Diskurs nicht mehr Diskussion bedeutet, sondern im Sinne von Foucault ein „sprachlich produzierter Sinn­zusammenhang, der eine bestimmte Vorstellung forciert, die wiederum bestimmte Machtstrukturen und Interessen gleichzeitig zur Grundlage hat und erzeugt“, dann heißt das so viel: Wer den Diskurs beherrscht, hat die Macht. Und nur darum geht es.  

Wer also annimmt, dass es nur zwei Geschlechter gibt, der wird bei einem Diskurstheoretiker lernen müssen, dass dies nur der herrschende Diskurs sei. Allerdings, wenn jede Form von Realität nur geschaffene Realität ist, dann ist sicherlich die Vorstellung von drei oder vier Geschlechtern ebenfalls nichts als ein Machtdiskurs. Anders gesagt: Alles ist nur eine Frage des Einflusses, den man hat. Realität außerhalb des Machtdiskurses spielt keine Rolle. Es gibt sie nicht.

Bei der Macht kommt es eben nicht auf die wahre Wahrheit an. Es kommt nur darauf an, sie zu kontrollieren. Ein Luhmann würde vermutlich sagen, dass es nicht redlich sei, Macht gegen Wahrheit auszuspielen. Diese Begriffe gehören zu verschiedenen Systemen. Aber wer kann bestreiten, dass derjenige, der die Macht hat, auch die Wahrheit kontrolliert? Wie man ja auch in Nordkorea sieht.

Wenn das so ist, dann gäbe es für jeden politisch denkenden Menschen nur ein Ziel, dem anderen seinen Diskurs aufzudrücken. Dabei wäre es eigentlich egal, was hier Währung wäre. Gestern soziale Frage. Morgen Geschlechterkrieg. Übermorgen Transsexualität. Am besten was mit Moral. Die Themen sind aber nur dazu da, ein Machtprobierstein zu sein. Denn die Wahrheit gibt es ja nicht im eigentlichen Sinne.

So gesehen wäre jeder von uns auch nur ein Soldat im Machtkampf. Wofür wir uns noch entscheiden können: Wo wir stehen wollen. Aber vermutlich wäre auch das eine Illusion. So wie die Vorstellung, es gebe eine Realität. Die Macht wählt wahrscheinlich uns. Sie ist das einzige, was zählt.

Diese Vorstellung ist natürlich weit entfernt von jeder Form des üblichen Realismus´. Aber eigentlich sehr nah an der Vorstellung des ewigen Kampfes ums Dasein. Und so verhält es sich am Ende auch. Es herrscht Machtwille in dieser schönen neuen Welt und der Kampf wird immer bitterer. Foucault war ihr Prophet und Geburtshelfer.

Christian Kümpel

Der Neue amerikanische Putinismus der AltRight

Dass ich als rechter proamerikanischer Evangelikaler sowas mal schreiben werde, hätte ich nie geglaubt: In den USA haben die – ich nenne sie mal – “gnostischen” Traditionalisten” [-> https://de.wikipedia.org/wiki/Traditionalismus_(Philosophie) ] die Alt-Right-Bewegung übernommen. Sie schmelzen dort aus amerikanischen Isolationismus, Trumpismus, Rechtsevangelikalismus, Rechtsesoterik, Verschwörungstheorien und dem guten alten Anti-Kulturmarxismus gerade einen Art amerikanischen Putinismus mit Moskau als dem neuen Jerusalem.

Der Fernsehprediger dieser neuen rechten Erweckungungsbewegung ist Tucker Carlson von Fox News. Aussenpolitischer Sprecher: John J. Mearsheimer.

Ja es ist letzlich eine Erweckungsbewegung ein rechter Wokeism … und es ist nur eine kleine Schar die rechten UND linken Wokeismus auf dem Schirm hat.

Eine kleine Schar und eine große rußlandimmune Nation: POLEN.

Warum verklärt Jordan Peterson Putin?

Dieses Video macht mich fassungslos:
Jordan Peterson, mein alter Held ist nicht nur aussenpolitisch auf den prorussischen Mearsheimer-Kurs eingeschwenkt. Er sieht den Krieg in der Ukraine mittlerweile als innereuropäischen Bürgerkrieg in dem Rußland [zusammen mit Ungarn und POLEN (sic!)] für eine schon von Dostojewki prophezeite Renaissance des Christentums gegen einen degenerierten woken Westen kämpft. Putin wird als gläubiger Christ gefeiert und die Tatsache, dass der orthodox-bolschewistische Okkultist Alexander Dugin sein Berater ist sogar als gewisses Qualitätsurteil dargestellt.
Wie kann ein Mann wie Jordan Peterson, der so viel intellektuelle Stärke im Kampf gegen den Wokeismus bewiesen hat hier so daneben liegen:

  1. Rußland ist kein Teil von Europa, geschweige denn Teil eines innereuropäischen Bürgerkrieges, wenn man von seiner Desinformationskampagnen in den europäischen Alternativmedien einmal absieht.
  2. Es gibt keine osteuropäisch-russische Allianz und schon gar keine zwischen Rußland und POLEN!
  3. Rußland ist keine Christliche Nation. Nur 6% der Russen gehen zum Gottesdienst. Rußland hat laut UN „die höchste Abtreibungsrate der Welt“ und noch höhere Scheidungs- und HIV-Raten als Europa. Nicht zu vergessen die zweithöchste Rate an alkoholbedingten Todesfällen weltweit. (Quelle: Szymon Pękala)

Gerade als Evangelikaler mit einer gewissen Gabe der Geistunterscheidung bin ich ob der ganzen vermeintlichen chritlichen Vitalisierung durch Rußland gar nicht glücklich. Meine Vermutung ist nämlich, dass Jordan Peterson nicht am eigentlichen Christentum interessiert ist sonden ebenso wie der Russe Aleksandr Dugin und der AltRight-Papst Steve Bannon ein Anhänger des sog. “Traditionalismus” ist.

Und wir Klassische Liberale, Konservative und Evangelikale müssen diesen rechtsesoterischen “Traditionalismus” genauso ernst nehmen wie die woke Identitätspolitik

Meine These lautet: Die Zukunft der Neuen Rechten wird spirituell sein.

Was ist nun dieser “Traditionalismus”? Was sich nach biederem Schützenverein und bayerischen Trachtengruppen anhört, ist in Wirklichkeit eine Weltanschauung, die die Moderne haßt und auf René Guénon sowie Julius Evola zurückgeht. Diese “Philosophia perennis” wurzelt in der Essenz alten esoterischen Wissens, Theosophie, Schamanismus, neuem Heidentum und Religionen wie orthodoxem und katholischen Christentum, Sufi-Islam und vor allen Dingen dem Hinduismus mit seiner zyklischen Geschichtsvorstellung. Wer von uns hätte das gedacht: Es gibt einen religiös-reaktionären Synkretismus, den wir genauso bekämpfen müssen wie den von links.

https://de.wikipedia.org/wiki/Traditionalismus_(Philosophie)

Geschlechter-Aneignung muss aufhören

Kulturelle Aneignung ist in aller Munde. Für diejenigen, die mit dem Begriff dennoch nichts anzufangen wissen: „Kulturelle Aneignung ist die Übernahme von kulturellen Ausdrucksformen oder Artefakten, Geschichte und Wissensformen von Trägern einer anderen Kultur oder Identität bezeichnet. Im engeren Sinn wird als „kulturelle Aneignung“ angesehen, wenn Träger einer „dominanteren Kultur“ Kulturelemente einer „Minderheitskultur“ übernehmen und sie ohne Genehmigung, Anerkennung oder Entschädigung in einen anderen Kontext stellen. Die ethische Dimension kultureller Aneignung wird in der Regel nur dann thematisiert, wenn die übernommenen Kulturelemente einer Minderheit angehören, die als sozial, politisch, wirtschaftlich oder militärisch benachteiligt gilt.“ So Wikipedia. Beispiele für kulturelle Aneignung gibt es zuhauf. Kinder, die sich als Indianer verkleiden, gehören dazu. Für Deutschland hat ebenfalls Wikipedia die „schlimmsten“ Fälle aufgelistet. Der Kabarettist Rainald Grebe trägt bei Auftritten in Anspielung auf Karl May ein Warbonnet. Im März 2022 wurde die weiße Musikerin Ronja Maltzahn aufgrund ihrer Dreadlocks von der Ortsgruppe Hannover der Klima-Aktivisten von Fridays for Future ausgeladen. Der Ravensburger Verlag nimmt im August 2022 zwei Kinder- und Jugendbücher aus dem Programm. Die „Winnetou“-Titel erhielten auf Social Media Plattformen wie Instagram negative Rückmeldungen.

Wenn man wollte, gäbe es noch viel zu kritisieren. Träger von Palästinensertüchern, Irokesen-Frisuren und Schottenröcken. Was jedoch seltsam ist: Warum wird kulturelle Aneignung kritisiert, aber keine Geschlechteraneignung? Diese Form der Aneignung, für alle die im Bereich Identitätspolitik noch neu sind, bedeutet, dass zum Beispiel ein Mann einfach Insignien der Frau übernimmt. Frauen sind, das ist gerade bei Linken unbestritten, jahrtausendelang unterdrückt worden. Sie waren in der Vergangenheit leicht an ihren Haaren und an der Gesichtsbemalung zu erkennen. Das machte ihre Identität aus. Damit betonten sie aber auch ihren Status in der Gesellschaft und markierten das Geschlechterverhältnis. Und nun nehmen sich Männer einfach heraus, diese Insignien für sich zu nutzen und Camouflage zu betreiben?

Seit jüngster Zeit gibt es sogar immer mehr Männer, die sich diese Zeichen aneignen, ohne dass Frauen gefragt würden. Mehr noch: Sie steigern sich in diese Rollen hinein, wie zum Beispiel Tesa Ganserer, der auch prompt von der Frauenquote profitiert. Das erinnert an Weiße, die sich für Farbige halten, um eine Opferrolle übernehmen zu können. Jessica Krug aus den USA ist so ein Fall. Für sie gab es dann als „schwarze Professorin“ viel Aufmerksamkeit. Zu Recht wurde das kritisiert.

Doch schlimmer ist es noch, dass Männer sich der Geschlechter-Aneignung erfreuen, sogar glauben sie wären Frauen und dafür auch noch gefeiert werden. Dass Frauen hier misstrauisch werden, ist kein Wunder. Denn wenn es sich nicht um einen Fetisch handelt, der als solcher dann auch benannt werden sollte, weil man sich gerne im BH sieht, ist es doch so, dass Männer, die sich als Frauen ausgeben, sich so aus ihrer Verantwortung als Unterdrücker stehlen. In jedem Fall schmälern sie das Leid, dass Frauen erlitten haben. Ja sie machen einen Witz daraus. Dass die Linken dies mitmachen, zeigt das auf der falschen Seite stehen, nämlich der der Männer, obwohl es ihnen doch angeblich um die Unterdrückten dieser Erde ginge, zumindest aber um Minderheiten. Die richtige Seite kann so gesehen nur die der Frauen sein. Ihre Geschlechter-Identität zu achten müsste uns Männern Gesetz sein. Es muss also grundsätzlich gefragt werden, ob sich Männer einfach die Insignien der Frauen aneignen dürfen. Ich denken nein. Denn alles andere wäre Identitätsdiebstahl und damit Teufelszeug.

Christian Kümpel

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Diversity, davon kann man nie genug haben

Abgesehen von der ethnischen Vielfalt in Deutschland, haben wir jetzt auch sexuelle Diversity. Behinderte gehören dazu. Nicht zu vergessen viele Alte und Junge, die sich nicht mögen, viele religiöse Gruppen, die sich hassen, und auch politische Ansichten in allen Formen, solange sie nicht irgendwie rechts sind. Da hört der Diversity-Spaß natürlich auf.

Und klar, von Diversity kann es nie genug geben. Aber Vorsicht! Es wäre zwar eine interessante Forderung, in Saudi-Arabien mehr Vielfalt zu verlangen. Doch davon hört man wenig. Sicher auch, weil man ja Respekt vor dem Islam und seiner Kultur hat. Da ist Diversity nicht vorgesehen. Diversity gehört nur zum Westen. Sicher auch, weil wir ja ohne Diversity ganz schlecht aufgestellt wären, wie wir immer wieder hören. Und weil wir Blutauffrischung brauchen, oder so.

Erinnern wir uns an die Zeit, als Deutschland, Großbritannien oder Frankreich weiß und christlich waren. So vor 60 Jahren. Einfach ein Desaster. Die Länder waren öde und langweilig. Es gab keinen Döner, für die meisten von uns ein kulinarisches Highlight. Und es ging in den Schulen eher um Leistung, weil man ja keine Sozialarbeit brauchte. Schlimme Zeiten. Wie konnten die Menschen so leben?

Jetzt ist es alles viel besser. Und wir arbeiten daran, dass es noch besser wird, indem wir noch mehr Geschlechter entdecken und mehr Migranten ins Land holen. Manche stellen nun fest: Südkorea macht da nicht mit. Liegt es daran, dass das Land immer weiter zurückfällt? Sicherlich.

Und was ich auch nicht verstehe: Warum erkennen nicht auch die anderen Länder, dass die eigene Kultur so fade ist, dass sie eine Auffrischung braucht, zum Beispiel durch Einwanderung. Die Polen wissen offensichtlich gar nicht, was ihnen entgeht.

Doch was verbindet nun all diese Gruppen, wenn es weder Religion, noch Geschichte, noch Ethnie oder Geschlecht sind. Was hält diverse Gesellschaften zusammen? Ganz einfach! Es ist die Diskriminierung. Alle Gruppen werden irgendwie benachteiligt in diversen Gesellschaften. Verletzte Gefühle, auf dieser Grundlage können wir sicher das Buntland noch weiter voranbringen. Kleiner Nebeneffekt: Den Diskriminierungsbeauftragten geht die Arbeit niemals aus. Wenigstens eine Gruppe, die sich keine Sorgen machen muss in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten.

Und bitte denken Sie nicht, dass Diversity bedeutet, aus der Not eine Tugend gemacht zu haben. Alles was ist, hat seinen Grund. Noch wichtiger: Alles was ist, ist gut so. Sonst könnte man am Ende noch denken, wir hätten einen Fehler gemacht. Der wäre, ja sowieso nicht mehr zu beheben. Also feiern wir, was ist. Besser wird es nicht mehr.

Christian Kümpel

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Die Macht der Fotos

In Berlin, der Stadt der vielen Möglichkeiten, hat laut FAZ der Schauspieler und Fotograf Hanns Zischler in einem Winkel des Ethnologischen Museum Ablichtungen entdeckt. Darauf unter anderem gezeigt werden abgetrennte Köpfe von Afrikanern. Vermutlich wurden die Abgebildeten von deutschen Kolonialtruppen getötet. Da vor 130 Jahren die „anthropologischen Verhältnisse“ Afrikas auch in Berlin interessierten, schickte man afrikanische Köpfe nach Berlin, die in Formalin eingelegt wurden. Die Fotos entstanden dann wohl in diesem Zusammenhang. Dass solche Köpfe heute nicht mehr öffentlich gezeigt werden sollten, geschenkt.

Aber auch die Fotos werden nun nicht mehr ohne Weiteres präsentiert, sondern verdeckt. Lediglich die Beschriftung der Bilder ist noch erkennbar. In dem Beitrag der FAZ wird der Wissenschaftlicher Holger Stoecker, der sich mit den Fotos beschäftigt hat, folgendermaßen zitiert: „Auch Bilder können bestattet werden.“ Soll heißen: Wir können nur noch den Grabstein lesen. Der Rest bleibt verborgen. Die üblichen Satzbausteine folgen: Die Aufnahmen seien mehr als ein referenzloses Gebilde. Die Fotos bräuchten einen diskursiven Rahmen.

Dass die Fotos erklärungsbedürftig sind, wer wollte das bestreiten? Doch es wird Scheu ins Feld geführt als Begründung dafür, dass man die Fotos nicht zeigt. Die ist wohl eher unwissenschaftlich. Wissenschaftlicher schauen nämlich genauer hin. Sie sind dabei vor allem nicht scheu. Vollends merkwürdig wird es aber, wenn hier von Bilderbestattungen gesprochen wird.

Hier hat man, nicht zum ersten Mal, das Gefühl, die Postmoderne schließt sich mit magischen Praktiken kurz. Das Foto ist mehr als ein Foto, wird behauptet. Es zu zeigen,, das beschwört etwas Dunkles herauf, das durch ein Ritual diskursiv gebannt werden muss. Reichte es noch vor ein paar Jahren, einfach darauf hinzuweisen, dass man keine Gefühle verletzen möchte, weshalb man eine Triggerwarnung beifügte, wenn man etwas zeigte, das nicht für jeden war, müssen heute noch weitere Praktiken dazukommen. So will man wohl die Vergangenheit bannen und sie gleichzeitig lebendig halten, nämlich indem man die Fotos verdeckt.

Man kann der Moderne vieles vorwerfen. Zum Beispiel ihren naiven Glauben an den Fortschritt. Aber die Postmoderne scheint, so betrachtet, die Moderne nicht zu überwinden. Vielmehr führt sie zurück in die Vormoderne. Wer eher profan gestrickt ist, wird wohl festhalten: Abgebildet sind abgetrennte Köpfe von Menschen. Zu einer bestimmten Zeit glaubte man, mit den Fotos erfülle man wissenschaftliche Arbeit. Heute glaubt man das nicht mehr. Damit hätte es sich. Heute ist man dagegen überzeugt, wissenschaftlich wäre es, Fotos zu bestatten, um das Dunkle zu bannen und der Scheu zu entsprechen. Doch dabei vergisst man wohl, den tieferen Sinn von Bestattungen. Man möchte nicht, dass die Toten zurückkommen und begräbt sie deshalb. Und damit nichts schief geht, beschriftet man das Grab. Denn man möchte vor allem wissen, wo sie liegen, weil von ihnen durchaus Gefahr ausgeht. Irrationaler geht es allerdings kaum.

Christian Kümpel

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Die Wut-Sucht

Wut ist auch nur eine Sucht. Ich zumindest suche immer wieder im Internet Nachrichten, die mich triggern, wie man so schön sagt, damit ich schön wütend werde. Triggern heißt, dass die Meldungen etwas in mir auslösen, zum Beispiel Verärgerung oder Zorn. Aber auch Hohn, Verachtung und ähnliche Reaktionen kommen vor. Das geschieht bei mir zum Beispiel, wenn ich lese, dass bei Audi gegendert wird. Oder dass mal wieder jemand gecancelt wurde. Doch wie kommt es, dass ich, statt diese News zu vermeiden, sie stattdessen ständig nachfrage? Immerhin ist doch Wut angeblich kein gutes Gefühl. Da geht es mir genau so wie Linken und Linksliberalen. Denn auch sie lassen sich mit Vergnügen in Rage bringen. Zum Beispiel wenn jemand Zigeunerschnitzel sagt. Doch nochmal: Warum suchen wir alle Meldungen, die sich mit Gendern, LGTBQ und anderen Dingen auseinandersetzen, wenn sie uns so aufregen?

Die Antwort ist, Wut spricht das limbische System an, wo die Adrenalin-Ausschüttung stattfindet. Darüber hinaus kann Wut so ähnlichen zu einem High führen, so wie gefährliche Aktivitäten, zum Beispiel Felsklettern, Drogenkonsum oder hohe Geldeinsätze beim Spielen. In allen Fällen werden Dopamine ausgeschüttet. Das sind bekanntermaßen Glückshormone. Und so wird Wut bald ins Belohnungssystem eingespeist. Und irgendwann fangen wir an, süchtig nach Wut zu werden. Dann müssen wir unseren bald unseren Dealer fragen, ob er noch Stoff für uns hat, wenn die Wut nachlässt.

Natürlich helfen uns dann die Medien, damit uns das Dopamin nicht ausgeht. Facebook, Twitter und Co leben auch von unserer Wut. Wir selbst tun natürlich auch unseren Teil, die Sucht zu fördern, indem wir die Medien durch Aufmerksamkeit belohnen, was wiederum das System füttert. Es ist eben auch hier das gute alte System von Angebot und Nachfrage.

Doch auch wenn es Weinläden gibt, heißt es ja noch lange nicht, dass man das ganze Zeug im Geschäft auf einmal trinken muss. Vielmehr sollte gelten: Ein Glas Wein pro Tag ist in Ordnung. Das kann man genießen. Aber wenn man anfängt, nur noch den Wut-Kick zu suchen, verliert man sich. Und so kann man am der Stelle durchaus Yoda von Star Wars zitieren: „Zorn, Furcht, Aggressivität. Die dunklen Seiten der Macht sie sind. Besitz ergreifen sie leicht von dir.“ Wer also Herr im Haus der Gefühle bleiben will, der sollte daher darauf achten, sich nicht zu sehr der Sucht hinzugeben. Auch nicht der Wut-Sucht.

Christian Kümpel

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Don´t mention the N-Word

Sarah Kuttner konnte wohl nicht anders. Sie wissen schon. Hier der Bericht des RND: „Kuttner, Bauerfeind und Hielscher unterhielten sich in der kürzlich veröffentlichten Folge unter anderem über das Verbot von Worten im deutschen Sprachgebrauch. Kuttner sagte in diesem Zusammenhang, sie sei generell kein Fan von Worten, die man nicht mehr sagen darf. Natürlich wolle sie damit nicht Menschen aktiv verletzten, jedoch empfinde die 43-Jährige es als „superschwierig“, dass man Begriffe wie etwa das N-Wort nicht mehr verwenden darf. Dabei reproduzierte sie den Begriff mehrfach. In der veröffentlichten Folge wurde dieser zwar durch einen Piepton unkenntlich gemacht, im Zusammenhang wird aber deutlich, dass die frühere Viva-Moderatorin das N-Wort mehrfach reproduziert hatte – was entsprechend große Kritik in den sozialen Medien auslöste.“

Darauf ging es so weiter, wie es immer weitergeht in diesem Twitterland. Empörung, Entschuldigung, Noch mehr Empörung. Langweilig. Viel interessanter ist, zu erfahren, warum wir so gerne Wörter benutzen, die verboten sind. So wie es Kuttner tat. Zunächst einmal gibt es die Tabus. Zum Beispiel die Sprachtabus. Das sagt man nicht, heißt es. Sie sind die Grundvoraussetzungen. Tabus müssen übrigens nichts Schlechtes sein. Immerhin finden wir alle, dass man nun nicht unbedingt alles sagen muss, was man denkt. Es ist auf jeden Fall erst mal nicht schlecht, dass man nicht überall irgendwelche Sachen sagt, die andere verletzen. Doch das Problem ist: Wer bestimmt, was verletzt? Du oder ich? Oder wir alle?

Davon abgesehen, werden Tabus immer wieder übertreten. Zum einen, weil man nicht weiß, dass es dieses Tabu gibt. Dann spricht man von einem Fauxpas. Darauf kann sich Kuttner aber kaum berufen. Sie wusste genau, was sie da sagte.

Dann gibt es diese Obsession mit Tabus. Sagt man jemand, dass er eine Sache nicht denken darf, dann sorgt man mit Sicherheit dafür, dass er ständig daran denkt. Und endlich vielleicht sogar ausspricht. Vielleicht war es das bei Kuttner? Schließlich sind Tabus auch interessant, weil man so herrlich provozieren kann, wenn man sie bricht. Anders gesagt: Man nimmt sich die Macht zurück, die einem genommen wurde. Man kennt das ja von Kindern. Wenn man ihnen das K-Wort, dann werden sie es lustvoll immer wieder herausschreien. Das K-Wort steht hier für das, was man in der Toilette versenkt.

Ja, es geht eben fast immer um Macht. Und wenn jemand diese eingrenzen will, dann werden die Grenzen getestet. So lautet das ewige Gesetz. Ging es Kuttner darum? Jedenfalls hat sie versucht, der Freiheit das Wort zu reden, und musste lernen, dass die Twitter-Gemeinde sich die Herrschaft nicht nehmen lässt. Kuttner hat dabei mit offenem Visier gestritten. Das war ehrenhaft, aber meiner Meinung nach ein Fehler. Denn wenn man ein Tabu aushebeln und es gleichzeitig bestehen lassen will, dann am besten mit Ironie. In eher repressiven Gesellschaften das Mittel der Wahl. Bei Ironie kommt man einem nicht so schnell auf die Schliche. Sie hätte zum Beispiel sagen können: “Das Wort Neger kommt nicht über meine Lippen.” Schwupps hätte sich Freiheiten genommen und gleichzeitig das Tabu bestehen lassen. Die Lacher hätte sie dabei vermutlich auch auf ihrer Seite gehabt. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass man sich befreit fühlt.

Christian Kümpel

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Trugschluss

Auch wenn das Monitor, das linke Sturmgeschütz der ARD, es gerne so hätte, die Konservativen lassen sich nicht so einfach über einen Kamm scheren. Richtig ist, dass Putin und seine Schergen wenig Verständnis für LGTBQ haben. Wer sich zu seiner Homosexualität bekennt, hat es in Russland nicht leicht, um es milde auszudrücken. Das heißt jedoch nicht, dass nun jeder LGTBQ-Kritiker in Deutschland für Putin wäre.

Gerne wirft man alles in einen Topf, um daraus eine stinkende Brühe zu kochen. Das ist nichts Neues. In diesem Fall geht es so: Putin ist gegen etwas. X, Y und Z auch. Deshalb müssen sie auch sonst für Putin sein. Dieses Prinzip heißt Schuld durch Trugschluss. Hier ein Beispiel: Peter ist ein Mörder. Peter hat blaue Augen. Also sind Leute mit blauen Augen Mörder. Ein Trugschluss. Und weil Menschen nun mal so sind, wie sie sind, funktioniert das meistens ganz gut. So hat Donald Trump nach dem Giftanschlag auf Nawalny durchaus zu Recht gemeint, dass Nordstream II eingestellt gehört. Na, da war was los in Deutschland, als er sich so vernehmen ließ. Weil das von Trump kam, hatte der Vorschlag daher keine Chance. Er wurde nicht mal diskutiert. Heiko Maas, der damalige Außenminister lachte nur darüber.

Weil das Prinzip also prächtig funktioniert, wird man Konservative immer gerne mit Nazis, Putin oder Trump in Verbindung bringen, um ihre Ideen und Ansichten zu diskreditieren. Umso wichtiger ist es, dass sie deshalb darauf achten, sich von Übelmännern fern zu halten. Das gilt für Trump wie für Putin. Doch dabei dürfen sie nicht ihre eigenen Überzeugungen aufzugeben, nur weil Dunkelmänner sie auch haben.

Übrigens gilt auch das umgekehrte Prinzip. Jemand, der Respekt genießt, äußert eine Meinung, die durchaus unvernünftig und dumm sein kann. Aber weil sie von ihm kommt, wird sie beachtet und sogar angenommen. Das ist ebenfalls zu hinterfragen. Im Prinzip sollte klar sein: Wer im Hinblick auf Putin richtig liegt, kann trotzdem in der Genderpolitik falsch liegen. Jede Sache muss für sich betrachtet werden.

Es ist halt alles nicht so einfach, um mit einer Binse zu schließen. Aber am Ende bleibt nichts anderes übrig, als sich auch mal zwischen allen Stühlen zu setzen, wenn man sich treu bleiben möchte. Und vor allem muss man immer wieder darauf hinweisen, dass, nur weil Putin ein Ungeheuer ist, die LGTBQ-Ideologie trotzdem hinterfragt werden darf.

Christian Kümpel

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Zauberworte

Was macht man, wenn einem die Meinung eines anderen nicht gefällt? Und kommen Sie mir jetzt nicht mit Widersprechen. Besser ist, die Person mundtot zu machen, denken viele. Das kommt deshalb heutzutage immer häufiger vor, obwohl man ständig das Wort Toleranz hört. Die gilt auch, aber immer nur, wenn es um die eigene Meinung geht. Und Toleranz hat natürlich Grenzen, die nicht der Staat, sondern jetzt Gruppen festlegen, sogenannte zivilgesellschaftliche Agenten, Beauftragte, Vigilanten. Die ändern die Parameter schnell und gründlich. Was machen die also, wenn hier jemand mit irgendwelchen eigenwilligen Ansichten kommt, weil er gerade mal nicht aufgepasst hat?

Wenn jemand etwas anderes von sich gibt, als diesen Gruppen genehm ist, stehen Zauberworte, magische Wendungen und anderes zur Verfügung, um ihm seine Grenzen aufzuzeigen. Man sage zum Beispiel menschenverachtend, homophob oder rechts. Simsalabim, sofort verstimmen die anderen wie von Zauberhand. Das funktioniert meistens sehr gut. Und da muss auch nichts erklärt werden. Da muss nicht argumentiert werden. Da muss vor allem keine Verhältnismäßigkeit gewahrt werden.

Zum Beispiel forderte die JU Rheinland-Pfalz lieber saubere Toiletten als Toiletten für ein Drittes Geschlecht – was immer das sein soll. Sven Lehmann (he/er), Queer-Beauftragter der Bundesregierung, nannte das menschenverachtend. Es wäre eine Entschuldigung fällig. Darauf verfällt der Meinungsgeber meist in Schweigen. Manche finden da nie wieder ihre Zunge zurück. Der Zauber wirkt.

Menschenverachtend heißt ja eigentlich, dass man durch Taten oder Worte die Würde des Menschen grob verletzt. Zynische Bemerkungen sind also gemeint. Doch was ist nun zynisch daran, zu meinen, sauberer Toiletten sind wichtiger als eine dritte Toilette für sogenannte queere Personen, die vermutlich auch bald schmutzig ist, wenn man schon zwei Toilettenarten nicht sauber kriegt? Soll damit gesagt werden, dass sogenannte queere Menschen nicht auf die Toilette gehen dürfen? Natürlich dürfen sie das weiterhin. Und wäre es denn menschenverachtend, wenn man nur eine Toilette für alle fordert? Immerhin könnte das gegen Frauen gerichtet sein. Oder gegen Männer. Egal. Wichtig ist, dass Lehmann hier eine andere Meinung hat und die andere nicht mehr hören möchte. Und da spricht man eben das Wort.

Was jedoch überrascht ist, dass das überhaupt funktioniert, obwohl wir uns doch als aufgeklärt bezeichnen. Da müsste man doch die Mechanismen des Zaubers durchschauen. Ja, es sind heute andere magische Worte sind als früher. In der Sowjetunion waren diese: Klassenfeind, Faschist oder Diversant. Bei den Nazis waren es: verjudet, Bolschewist oder Volksfeind. Bei den Christen gab es auch solche Worte. Hexe, Teufel oder – wenn man protestantisch war – papistisch. Selbst die Amis kannten Bezeichnungen, die jeden erstarren ließen. McCarthy machte es möglich. Heutzutage ist es eben das Wort menschenfeindlich. Doch was ist denn nun mit dem Aufgeklärtsein oder dem Abgeklärtsein? Ach, wir sind wohl immer noch der alte Adam. Oder anders gesagt: Wir sind offensichtlich so aufgeklärt wie vor 80 Jahren oder 800 Jahren. Wenn das richtige Wort fällt, dann erstarren wir heute so wie früher.

Christian Kümpel

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