Disney, so hört man, wird einen Film drehen, bei der die Rolle des Schneewittchens mit einer Latina besetzt werden soll. Und zwar aus Gründen der Diversity. Diversität meint den bewussten Umgang mit der Vielfalt in der Gesellschaft. Und das kriegt jetzt auch die Märchenwelt zu spüren, nachdem immer mehr Mittelalter-Filme von Schwarzen bevölkert werden, obwohl es damals vermutlich keine große Community in Europa gab. Auch bei den Gebrüder Grimm war Schneewittchen irgendwie weiß geframt. Immerhin wurde weiß dereinst mit vornehm und hochherrschaftlich assoziiert. Die Erinnerung daran scheint zu verblassen, wenn mir dieses Wortspiel erlaubt ist. Nun darf also auch eine etwas stärker pigmentierte junge Frau Schneewittchen sein. Und da ja sowieso kaum einer noch weiß, wie Schnee aussieht, kann Schneewittchen durchaus auch aus Mexiko oder Guatemala kommen.
Doch wie das immer so ist mit den armen unterdrückten Minderheiten, da gönnt einer dem anderen nicht die Butter auf dem Brot des gesellschaftlichen Fortschritts. Nun hat sich der Schauspieler Peter Dinklage, selbst 1,35 cm klein, gemeldet und sich darüber aufgeregt, dass die Geschichte mit den sieben Zwergen weiterhin rückwärtsgewandt sei. Er meinte damit die Figuren der Zwerge, die seiner Meinung nach in einer Höhle lebten und Zwergen-Klischees verbreiten. Und Disney zeigt sich in der Tat zerknirscht. Man wolle deshalb bei den sieben Helden eine andere Herangehensweise. So vage reagiert Disney auf die Vorwürfe. Wir dürfen gespannt sein, was dabei rauskommt. Vermutlich nichts Interessantes. Hier sei allerdings festgehalten, dass die Zwerge in dem Film von 1937 nicht unbedingt die unsympathischsten Charaktere sind. Ihr Heim ist ordentlich, sie sind fleißig und nachdenklich. Schneewittchen dagegen war eher geistig minderbemittelt. (Wann gehen Frauen eigentlich dagegen mal vor?) Ich fand die Zwerge jedenfalls immer toll. Aber wer weiß, wie Dinklage einen Zwerg sehen möchte? Immerhin war er in dem Film „Game of Thrones“ als Gnom-Figur nicht sehr nett.
Apropos Klischee. Da gibt es noch einiges aufzuarbeiten. Denn ist es kein Klischee, eine etwas ältere Frau, die in eine Midlife-Krise gekommen ist, vorzuführen, indem man sie ein jüngeres und schöneres Schneewittchen hassen lässt? Wie wäre also eine Schwiegermutter, die ihr hilft, erwachsen zu werden und sich als perfekte Patchwork-Mama erweist? Und diese Geschichte mit dem Prinzen ist ja wohl kaum haltbar. Dieses Mann-rettet-Frau-Klischee wollen wir nicht mehr sehen. Wenn es sein muss, dass es zu einer Lebensmittelvergiftung kommt (gespritzte Äpfel sind ungesund), wäre es viel näher an der heutigen Zeit, eine Ärztin käme vorbei und nähme einen Kehlkopfschnitt vor. Am Ende muss wohl die ganze Geschichte neu geschrieben und anders besetzt werden, damit sie in unsere wunderbare Zeit passt, die alte Stereotype durch neue ersetzt. Dass unsere Epoche viel besser sei, als die ort- und zeitlose Zeit, in der Schneewittchen noch weiß und unschuldig, die Zwerge noch klein und freundlich und die Schwiegermutter böse und abgründig waren, ist durchaus möglich. Allerdings besteht sie ebenfalls fast nur noch aus trivialem postmodernem Kitsch und wird vermutlich nicht ganz so dauerhaft sein wie die Grimm´schen Märchen und ihre Figuren. Märchen sind eben aus der Zeit gefallen. Das lässt sie jede Epoche überdauern.
Christian Kümpel
Bild: Pixybay