Die Macht der Fotos

In Berlin, der Stadt der vielen Möglichkeiten, hat laut FAZ der Schauspieler und Fotograf Hanns Zischler in einem Winkel des Ethnologischen Museum Ablichtungen entdeckt. Darauf unter anderem gezeigt werden abgetrennte Köpfe von Afrikanern. Vermutlich wurden die Abgebildeten von deutschen Kolonialtruppen getötet. Da vor 130 Jahren die „anthropologischen Verhältnisse“ Afrikas auch in Berlin interessierten, schickte man afrikanische Köpfe nach Berlin, die in Formalin eingelegt wurden. Die Fotos entstanden dann wohl in diesem Zusammenhang. Dass solche Köpfe heute nicht mehr öffentlich gezeigt werden sollten, geschenkt.

Aber auch die Fotos werden nun nicht mehr ohne Weiteres präsentiert, sondern verdeckt. Lediglich die Beschriftung der Bilder ist noch erkennbar. In dem Beitrag der FAZ wird der Wissenschaftlicher Holger Stoecker, der sich mit den Fotos beschäftigt hat, folgendermaßen zitiert: „Auch Bilder können bestattet werden.“ Soll heißen: Wir können nur noch den Grabstein lesen. Der Rest bleibt verborgen. Die üblichen Satzbausteine folgen: Die Aufnahmen seien mehr als ein referenzloses Gebilde. Die Fotos bräuchten einen diskursiven Rahmen.

Dass die Fotos erklärungsbedürftig sind, wer wollte das bestreiten? Doch es wird Scheu ins Feld geführt als Begründung dafür, dass man die Fotos nicht zeigt. Die ist wohl eher unwissenschaftlich. Wissenschaftlicher schauen nämlich genauer hin. Sie sind dabei vor allem nicht scheu. Vollends merkwürdig wird es aber, wenn hier von Bilderbestattungen gesprochen wird.

Hier hat man, nicht zum ersten Mal, das Gefühl, die Postmoderne schließt sich mit magischen Praktiken kurz. Das Foto ist mehr als ein Foto, wird behauptet. Es zu zeigen,, das beschwört etwas Dunkles herauf, das durch ein Ritual diskursiv gebannt werden muss. Reichte es noch vor ein paar Jahren, einfach darauf hinzuweisen, dass man keine Gefühle verletzen möchte, weshalb man eine Triggerwarnung beifügte, wenn man etwas zeigte, das nicht für jeden war, müssen heute noch weitere Praktiken dazukommen. So will man wohl die Vergangenheit bannen und sie gleichzeitig lebendig halten, nämlich indem man die Fotos verdeckt.

Man kann der Moderne vieles vorwerfen. Zum Beispiel ihren naiven Glauben an den Fortschritt. Aber die Postmoderne scheint, so betrachtet, die Moderne nicht zu überwinden. Vielmehr führt sie zurück in die Vormoderne. Wer eher profan gestrickt ist, wird wohl festhalten: Abgebildet sind abgetrennte Köpfe von Menschen. Zu einer bestimmten Zeit glaubte man, mit den Fotos erfülle man wissenschaftliche Arbeit. Heute glaubt man das nicht mehr. Damit hätte es sich. Heute ist man dagegen überzeugt, wissenschaftlich wäre es, Fotos zu bestatten, um das Dunkle zu bannen und der Scheu zu entsprechen. Doch dabei vergisst man wohl, den tieferen Sinn von Bestattungen. Man möchte nicht, dass die Toten zurückkommen und begräbt sie deshalb. Und damit nichts schief geht, beschriftet man das Grab. Denn man möchte vor allem wissen, wo sie liegen, weil von ihnen durchaus Gefahr ausgeht. Irrationaler geht es allerdings kaum.

Christian Kümpel

Bild: Pixabay

Woke-Kritik von Links: PMC – “Professional-managerial Class”

Hör-Empfehlung für den linken Podcast “Aufhebunga Bunga”, deren britische Autoren das im Frühjahr auch auf Deutsch erscheinende Buch “The End of The End of History” geschrieben haben.

Hier mal ein Beispiel:
George Hoare und Alex Hochuli vom Bunga-Cast führten ein Gespräch mit Trauma-Expertin Catherine Liu über ihre letzten Bücher.
https://youtu.be/befHbT_caS8

Es ging dabei letztendlich um die schon von Andreas Reckwitz beschriebene “Neue Akademische Mittelklasse”.
Doch während Reckwitz dabei eher wohlwollend deskriptiv ist, gehen diese beiden  Linksradikalen Podcast-Akademiker (u.a. Autoren für “jacobin”) und ihre nicht weniger linke Gesprächspartnerin  äußerst kritisch mit der woken  “Professional-managerial Class” ins Gericht. Unter anderem wegen deren moralischen Überheblichkeit und wegen ihres Klassenantagonismus zur sog. “working class” …