AfD-Politikerin Beatrix von Storch hat in der Bundestagsdebatte zum Internationalen Frauentag den Grünen-Bundestagsabgeordneten, Tessa Ganserer, als Mann bezeichnet und ihn bei seinem Geburtsnamen, Markus Ganserer, genannt. Sie habe nicht dagegen, dass Ganserer sich wie eine Frau kleidet. Allerdings bleibe er ein Mann. Darauf gab es von den anderen Parteien harsche Kritik, was Frau von Storch vermutlich in die Karten spielt. Es fielen Begriffe wie abscheulich, homophob und menschenverachtend.
Ganserer selbst nimmt für sich Transidentität in Anspruch. Das schließe Menschen ein, die keine “chirurgische genitale Geschlechtsangleichung” in Anspruch nehmen. Anders gesagt: Er ist der Ansicht, man könne sein Geschlecht dadurch ändern, dass man sich als Frau fühlt.
Hat er Recht? Hier geht es um drei Fragen, die beantwortet werden müssen, um das zu ermitteln. Zunächst einmal wäre zu klären, was ein Mann ist. Dann müsste man klären, ob ein Mann allein durch Willenserklärung etwas anderes sein kann als ein Mann. Schließlich wäre zu klären, ob die Meinungsfreiheit auch die Meinung abdeckt, dass eine Person, die geschlechtlich ein Mann ist, auch als Mann bezeichnet werden darf.
Wikipedia definiert Mann folgendermaßen: “Die Entwicklung des biologischen Geschlechts ist genetisch bedingt durch ein Chromosomenpaar XY, wobei vor allem durch das Y-Chromosom sowie das männliche Sexualhormon Testosteron die Entwicklung männlicher primärer und sekundärer Geschlechtsmerkmale gesteuert wird. Männer produzieren Spermien, mit denen Eizellen befruchtet werden können. Sie sind im Gegensatz zu Frauen mit typischer genetischer Entwicklung in keiner Phase ihres Lebens in der Lage, schwanger zu werden. Zudem gibt es transgender Männer, deren Geschlechtsidentität von dem ihnen bei Geburt zugewiesenen Geschlecht abweicht…“ Man spricht also von Männern, die sich anders fühlen. Das widerspricht nicht dem, was von Storch sagt. Objektiv ist Ganserer ein Mann.
Und wie sieht es mit dem Willen aus? Kann der Wille Tatsachen ändern? Leonardo da Vinci sagte einst: Wer nicht kann, was er will, muss wollen, was er kann. Denn das zu wollen, was er nicht kann, wäre töricht. Soll heißen, dass der Wille begrenzt ist auf das, was möglich ist. Innerhalb dieser Grenzen sind wir frei. So kann man sich wünschen, ein Baum zu sein. Es aber ernsthaft zu tun, das wäre töricht. Frau Ganserer darf natürlich durchaus töricht sein. Hier aber auf den Willen von Ganserer abzuheben, hieße, uns dazu zu verdammen, den Irrsinn nicht als solchen benennen zu dürfen.
Natürlich kann man hier einwenden, dass der Subjektivismus das Maß aller Dinge sei. Hierzu schreibt Wikipedia: „Der individuale Subjektivismus erblickt im Einzelnen Individuum sowie seinem individuellen Bewusstsein das Maß aller Erkenntnis. Die individuelle Wahrnehmung und die individuellen Interessen des jeweiligen Subjektes bestimmen seine Realität, welche schon dadurch notwendig eine relative sei. Jedes Subjekt nehme die Außenwelt auf seine eigene Weise wahr.“ Demnach kann Ganserer durchaus meinen, er wäre eine Frau. Allerdings kann von Storch auch das Gegenteil meinen. Jeder bleibt in seiner Welt gefangen, weil man meint, es gebe keine Realität. Das mag man so sehen, kann jedoch nicht gegen von Storch verwendet werden.
Schließlich ist dann noch die Frage zu klären, wer darüber bestimmt, wie man jemanden anspricht. Ich kann mir das zutrauliche Du verbeten. Allerdings wäre es heutzutage kaum mehr als Beleidung anzusehen, wenn man mich so anspräche. Aber kann ich auch jemand verbieten, mich als Mann anzusprechen, wenn ich mich als Frau fühle, ohne es zu sein? Hier wird die Redefreiheit und die Meinungsfreiheit berührt. Sagen wir mal so: Wenn man einen Mann sieht, der Frauenkleider trägt und von mir verlangt, dass ich ihn als Frau anspreche, dann wird mein Recht verletzt, die Dinge so zu benennen, wie ich sie sehe. Wie es aussieht, scheint es für diese Ansicht eine Mehrheit im Parlament zu geben. Aber Mehrheiten können nicht über Tatsachen entscheiden. Ein Gesetz, dass es mir verbietet, einen Mann einen Mann zu nennen, wäre Unrecht. Sollte es kommen, dann begäbe sich Deutschland auf einen gefährlichen Weg. Zumindest ist es bis jetzt noch nicht so weit. Aus meiner Sicht bleibt Ganserer daher ein Mann. Aber auch objektiv ist er ein Mann. Dass er und das Parlament das anders sieht, hat von Storch nicht zu verantworten. Ganserer darf allerdings weiterhin geltend machen, dass seine Gefühle verletzt werden, wenn er als Mann bezeichnet wird. Darauf darf man Rücksicht nehmen. Allerdings sollte man sich über eins keine Illusionen machen: Gefühle sind ein Machtmittel im gesellschaftlichen Dauerkampf.
Christian Kümpel
Bild: Pixybay