Bekanntermaßen kommt es bei der Gendersprache auf die Sichtbarmachung von Geschlechtern an. Die Uni Potsdam hat dazu einen Leitfaden entwickelt, den mein Sohn als Student zu befolgen hat, will er keinen Punktabzug bei seiner Arbeit riskieren. In diesem Leitfaden wird die männliche Personenbezeichnung als Fehler bezeichnet, wenn sie sich auch auf Frauen bezieht. Denn wenn man nur von Wissenschaftlern redet, dann wären Frauen nicht sichtbar.
„In der Arbeit wird aus Gründen der Lesbarkeit auf das Gendern verzichtet. Frauen sind immer mitgemeint.“ Mit solchen Generalklauseln kommt man an der Uni Potsdam leider nicht durch. Weibliche Formen nicht außerdem nicht in Klammern zu setzen. Wissenschaftler(innen), das geht gar nicht
„Vermeiden sie die vermännlichte Silbe „man“ beim Neutralisieren des Geschlechts.“ Eine witzige Bemerkung. Denn eine vermännlichte Silbe festzustellen ist ungefähr so geistreich wie zu behaupten, die Silbe frau sei verweiblicht. Gemeint ist natürlich das generalisierende Personalpronomen „man“, das in der Tat vom Wort Mann kommt. Genauso wie jedermann oder Mensch. Insofern wäre zu hinterfragen, ob das Wort Mensch überhaupt noch in einem wissenschaftlichen Text vorkommen darf und nicht durch das Wort Mensch*in ersetzt werden sollte.
Die Funktion des Pronomens „man“ ist es unter anderem Passivkonstruktionen zu vermeiden. So ist ein aktives „Man arbeitet hier in zwei Schichten“ semantisch nicht zu unterscheiden von „Hier wird in zwei Schichten gearbeitet“. Doch um „man“ zu vermieden, wird die passive Form empfohlen. Ist das sinnvoll? Denn anderswo kann man lesen, dass Passivsätze starr und unpersönlich klingen. Zum Beispiel bei Katharina Tielsch in 10 Tipps für besser lesbare Texte. Aber Hand aufs Herz: Wissenschaftliche Texte werden ja umso wertvoller, je opaker sie sind.
Ganz wichtig ist es der Uni Potsdam auch, Rollenklischees zu vermeiden. Frauenparkplatz, Mutter-Kind-Raum, Fräuleinwunder oder Hexenverbrennung, das sind so Wörter, die kann man einfach nicht mehr bringen. Sicher gilt das auch für Mannsbild. Doch das ist noch nicht alles: Die Universität Potsdam ist kein Arbeitgeber, sondern eine Arbeitgeberin. Diese Kongruenz zu Ende gedacht, wäre das Parlament weder Arbeitgeber noch Arbeitgeberin. Wie wäre ein Arbeitgeberchen? An anderer Stelle wird die Kongruenz allerdings wieder abgelehnt. Auch sei es viel besser von „alle“ und „die“ zu sprechen. Ob sich nun die männlichen Studenten mit „die“ wohlfühlen, wird nicht weiter hinterfragt.
Viele Argumente sind bereits gegen das Gendern ins Feld geführt worden. Hier nur vier: In der Sprache wird immer mitgemeint. Drei Tage Aufenthalt heißt, dass man auch drei Nächte Aufenthalt hatte. Drei Personen heißt, dass es auch drei Männer sein können, obwohl sich bei Person um ein Wort mit weiblichem Genus handelt. Denn das grammatische Geschlecht (Genus) ist eben nicht das biologische Geschlecht (Sexus). Auch Hinweis, dass ein Studierender etwas anders darstellt als ein Student. Dies ist leicht zu überprüfen. Ein toter Studierender ist etwas Unmögliches. Eine gehende Schwimmende auch. Der Einbrecher sollte nicht zum Einbrechenden werden, der Totschläger bitte nicht zum Totschlagenden und der Betrüger, wenn´s beliebt, nicht zum Betrügenden.
Schließlich gibt es ein Gesetz in jeder Sprachentwicklung. Es nennt sich Sprachökonomie. „Man versteht unter Sprachökonomie die Neigung von Sprecher und Hörer, auf Sprachformen so einzuwirken, dass die Kommunikation zwischen beiden gewährleistet ist bei einem für beide möglichst geringen Aufwand.“ So heißt es bei Wikipedia. Gegen dieses Gesetz verstößt, wer die Wörter und Texte länger macht als nötig, ohne dass es ein Zugewinn an Verständigung gäbe. Dieses Gesetz der Sprachökonomie ist auch der Grund, warum man nie hört: Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger, sondern immer sehr geehrte Bürger und Bürger. Achten Sie mal das nächste Mal drauf. Es ist jedenfalls ein Heidenaufwand, jeden mitzunehmen. Das erspart man sich besser.
Als Argument für die Verwendung der gendergerechten Sprache wird schließlich noch ein kleines Rätsel gebracht. Ein Junge wird ins Krankenhaus gebracht, nachdem sein Vater und er einen Unfall hatten. Der Chirurg meint: „Ich kann ihn nicht operieren, er ist mein Sohn.“ Frage: Wer ist der Chirurg? Die Mutter! Vielleicht zur Verständnishilfe: Darum gibt es das Wort Chirurgin. Das darf man ja benutzen, wenn es passt. Und außerdem ist das Rätsel leider extrem schwulenfeindlich, wenn man drüber nachdenkt. Denn seit wann können Männer keine Mütter sein?
Dass alle an der Hochschule mitmachen werden bei der Sprachverhunzung, ist sonnenklar. Denn man möchte einfach nur sein Studium hinter sich bringen. Ärger will man sich nicht aufhalsen. Die Uni wird also damit durchkommen, außer einer rafft sich auf und klagt wegen Punktabzugs vor einem Verwaltungsgericht. Woher die Uni das Recht nimmt, anderen eine Privatsprache vorzuschreiben, ist nicht bekannt. Aber so etwas wird nicht hinterfragt. Genau so wenig wie die Frage, ob hier Macht missbraucht wird. Um einen Gedanken Foucaults gewinnbringend auf die heutigen Hochschulen einzubringen: Universitäten haben die gleichen sozialen Funktionen wie Gefängnisse und Irrenhäuser – sie definieren, klassifizieren, verwalten und regulieren Menschen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Kü
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