Weibliche Pseudowissenschaft

Katrine Marcal, eine schwedische Journalistin, erklärt laut Deutschland Radio in ihren Büchern, dass in einer männlich dominierten Welt, die vor allem den Vorstellungen eines Geschlechts folgt, die Hälfte des menschlichen Potentials brach liege. Eins ihrer Beispiele dafür, was für ein Potential man in einer Welt hätte, wenn die Frauen endlich mehr gewürdigt würden: Der Rollkoffer wurde erst erfunden, als es ein neues Rollenverständnis gab und mehr Frauen alleine reisten, also in den 70iger Jahren. Rainer Hank fragt in der FAS, ob die Erfindung des Rollkoffers nicht eher etwas damit zu tun habe, dass es keine Kofferträger mehr gab, die sich die Arbeit des Koffertragens antun wollten. Das hört sich zwar viel plausibler an, passt aber nicht ins Narrativ. Erfindungen werden also nur möglich durch Paradigma-Wechsel, wenn man dem feministischen Konstruktivismus folgt. Aber ist das nicht vielleicht selbst auch nur ein Metastory im Sinne der feministischen Märchenerzählungsindustrie.

Wenn man die Welt mit der Brille des Feministen betrachtet, dann findet man immer dieselbe Muster. So hat Marcel auch „entdeckt“, dass das Elektroauto sich nur deshalb in einer Männerwelt nicht durchsetzen konnte, weil es als weich und weiblich galt. Mit dem billigen Benzin hätte es nichts zu tun gehabt. Aha! Heutzutage hätte Tesla demnach eine Chance, weil Männer jetzt Elektroautos vermännlicht hätten, muss man schlussfolgern.

Dazu fällt mir ein, dass Marlborro mal eine Frauenzigarette war. Die konnte erst von Männern geraucht werden, als die Werbung auf die Cowboys kam. Allerdings war das ja wohl keine Erfindung, sondern ein Rebranding. Und wer erinnert sich nicht an die Handtäschchen, die Männer in den 70iger oder 80iger Jahren trugen. Nur möglich, weil Männer die Vorteile der Tasche entdecken durften, ohne durch das Tragen als unweiblich zu gelten. Und dass Männer sich jetzt überall rasieren, wem verdanken wir das? Genau! Doch es geht ja bei Marcal um das weibliche Potential, das angeblich brach liegen soll, weil wir in einer Männerwelt leben, oder besser gesagt: lebten! Was hat sich also geändert?

Jüngst durfte man dazu im „Spiegel“ lesen: Es gibt in Deutschland immer mehr Frauen, die Akademiker sind. Doch nur „jedes zehnte Patent wird hierzulande von einer Frau angemeldet. Damit steht Deutschland in Europa schlecht da – vom Vergleich mit Asien ganz zu schweigen.“ Warum? Möglicherweise, weil sich Frauen hierzulande in Europa mit Pseudowissenschaften wie Genderforschung und Konstruktivismus beschäftigen statt mit Technik. Ändern wird sich das aber kaum. Denn mit den Pseudowissenschaften hat man in dieser Gesellschaft die Deutungshoheit. Und auf die kommt es an.

Frauen werden also vermutlich weiterhin Womensplaining betreiben. So auch im Deutschlandfunk. Da hieß es über das Buch, das übrigens von einer Frau besprochen wurde: „Sie (Marcal) seziert gesellschaftliche Entwicklungen und kommt dabei von historischen Einzelbeispielen zu den Problemen der heutigen Zeit: Der Klimawandel als Folge eines zu „männlich“ geprägten Umgangs mit der Welt.“ Als ob man es nicht geahnt hätte.

Christian Kümpel

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Storytelling

Der Philosoph Rudolf Burger weist darauf hin, dass wir unserem christlich-jüdischen Erbe verpflichtet sind. Das besteht insbesondere darin, festzustellen, dass etwas im Argen liegt, und zwar grundsätzlich. Die Welt ist für Christen und Juden schlecht. Da half nur die Hoffnung auf bessere Zeiten.

Nun sind wir zwar jetzt als Nicht-Christen oft ohne Glauben auf ein Leben nach dem Tod, wo alle Ungerechtigkeit in Gerechtigkeit umschlägt. Wir glauben allerdings immer noch, dass etwas im Argen läge. Allerdings wenn etwas mit der Welt nicht stimmt, dann muss man, wenn das Jenseits nicht mehr zur Verfügung steht, um Verbesserung herzustellen, die Hoffnung auf etwas anderes setzen als Gott, damit eine Heilsgeschichte erzählt werden kann.

Das Heil wurde deshalb konsequenterweise innerweltlich. Die Welt-Geschichte wurde entsprechend zu einer Heilsgeschichte umgedeutet. Die Story ging darauf eine Weile so: Die Welt ist nicht perfekt. Aber sie entwickelt sich nach den Gesetzen der Geschichte oder der Dialektik in die richtige Richtung. Durch Aufklärung und Wissenschaft erreichen wir gemeinsam unser Ziel.

Aber auch diese Geschichte mag keiner mehr so recht glauben. Irgendwie ist sie, wie man so schön sagt, auserzählt. Weil wir aber Geschichten brauchen, kursieren nun andere Narrative, vor allem welche, die nicht mehr von Fortschritt sprechen. En vogue sind jetzt Opfergeschichten. Und in der Tat gibt es seit den 60iger immer neue Gruppen, die nun ihre Narrative an den Mann bringen. Die Geschichte ist dabei meist auch schnell erzählt: Es war alles Unterdrückung und Qual. Und daran hat sich nichts geändert. Erlösung kommt dabei nicht vor.

Früher hätte man sich das vermutlich verkniffen, so zu erzählen. Happy Ending, das war einmal ein Muss. Nun ist die Geschichte des Fortschritt der Menschheit einer öden Leidensgeschichte gewichen.

Erlösung ist in diesen Geschichten, wie gesagt, nicht zu erwarten. Denn die Opfergeschichten sind von der Erzählstruktur wie moderne Einakter. Das Ende ähnelt dem Anfang. Wenn man so will, dann gilt der Satz: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leiden sie noch heute. Allerdings steht fest: Wenn der Mensch unbedingt Geschichten braucht, dann ist die Opfergeschichte sicher die unproduktivste. Denn so wie bei der Geschichte von Tantalus, der im Wasser steht, durstet man nach mehr, ohne jemals den Durst stillen zu können. Denn wer einmal sein Opfernarrativ gesungen hat, der wird von dieser Geschichte nicht mehr lassen. Sie ist einfach zu verführererisch.

Bei den Christen sind es die Unterdrückten, die in den Himmel kommen. Heute will man als postmoderner Mensch aber nur noch unterdrückt sein, ohne Aussicht auf Erlösung. So erzählen eigentlich nur Masochisten. Im Masochismus liegt ja auch, wie wir wissen, ein ganz besonderer Reiz. Ist er am Ende das Geheimnis der Postmoderne?

Christian Kümpel

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Optische Täuschung

Es gibt da ein Phänomen, für das ich kein rechtes Wort kenne, welches aber weit verbreitet ist. Ich würde es versuchsweise als emotionale Disproportionalität bezeichnen. So eine emotionale Unverhältnismäßigkeit findet man häufig dann, wenn großes Unrecht eher kaum beachtet wird, jedoch an anderer Stelle in kleinerer Form ganz Gesellschaften erschüttert. So ist es beispielsweise bemerkenswert, dass der Tod von Georg Floyd durch das massive Fehlverhalten der US-amerikanischen Polizei so ein großes Echo fand – auch in Deutschland – obwohl Floyd kein Deutscher ist, kriminell war und eigentlich keine Besonderheit aufwies, außer schwarz zu sein. Der massenhafte Tod in Syrien dagegen, scheint hierzulande kaum jemand seelisch aufzuwühlen.

Was könnten die Gründe sein? Zum einen ist es sicher nicht unbeachtlich, dass der Tod des Schwarzen gefilmt wurde. So wurde für alle sichtbar, welche Ungeheuerlichkeit dort geschah. Denn es ist in der Tat furchtbar zu sehen, wie ein Mann erstickt wird, der um sein Leben bettelt. Dazu kam die Erzählung von dem Fass, das übergelaufen ist. Das Narrativ geht so: In den USA sterben täglich Schwarze durch weiße Polizei, weil es Rassismus gibt. Dieser Tote war nun der eine Tote zu viel. Und wie es immer so mit Narrativen ist, sie sind fest in unseren Köpfen verankert, obwohl sie nur lose mit der Wirklichkeit zu tun haben.

Laut der Website von Statista sterben seit 2015 35 Schwarze auf eine Millionen Einwohner durch die Polizei. Bei Weißen liegt die Zahl bei 14. Allerdings gehen dreimal mehr Schwarze pro eine Million Einwohner ins Gefängnis als Weiße. Natürlich kann man diskutieren, welche Gründe es für diese Ungleichheit gibt. Aber was man deutlich sieht: Schwarze kommen häufiger in Konflikt mit dem Gesetz. Ist es da überraschend, dass sie auch häufiger erschossen werden? Seit Jahren gibt es übrigens mehr Schwarze in der Polizei, aber nicht weniger Gewalt gegen Schwarze. Spricht das für massiven Rassismus? Eher dafür, dass es in den USA eine grundsätzliche Härte bei der Polizei gibt. Das soll nicht heißen, dass die Polizeikräfte in den USA keinen Rassismus kennen. Doch George Floyd ist wohl in erster Linie deshalb gestorben, weil sich die Polizei in den USA seit den 80igern stark brutalisiert hat.

Doch was noch viel bemerkenswerter ist: Andere Formen von Ungerechtigkeiten können offensichtlich mit der Gewalt im Falle von Georg Floyd nicht mithalten, obwohl diese nicht unwesentlich sind. Zum Beispiel der Syrienkrieg. Im Jahre 2018 kamen in Berlin 100 Leute zusammen, um gegen den Syrienkrieg zu demonstrieren. Bei der BLM-Demo Black waren es zwei Jahre später 2000. In Syrien werden durch russische Piloten Schulen, Krankenhäuser und andere zivile Einrichtungen bombardiert mit unfassbaren Folgen. Was könnte nun erklären, warum manche wegen George Floyds so wütend sind, aber im Falle des tausendfachen Todes in Syrien eher mit den Schultern zucken.

Nun die Lager für Uiguren in China, die Kriegsopfer in Syrien und die Kinderarbeit in Pakistan kommen einfach auf der Empörungsskala nicht an den Tod von Georg Floyd heran, weil die Menschen nicht perfekt sind. So wie sie wegen eines organischen „Konstruktionsfehlers“ leicht optischen Täuschungen unterliegen, so unterliegen sie auch moralischen Täuschungen und können die Proportionen nicht erkennen. Bei Moral und Empörungen kommt es außerdem sehr stark auf Moden und Strömungen an, nicht auf das Leid, das erfahren wird. Und zurzeit ist eben Rassismus in aller Munde. Man sollte wissen, dass man seiner Moral genauso wenig trauen darf wie seiner Erinnerung oder seinen Augen. Denn Moral braucht eine Geschichte, um uns zu empören. Die von dem Tod durch Rassismus einfach eingängiger als die von dem hundertfachen Tod in Syrien durch russische Jets. Und schließlich gibt es noch den Kieseleffekt: Man versucht sich als Mensch lieber an einem kleinen Stein als an einem Felsen, den man eh nicht heben kann. Wenn man dann den Kiesel in der Hand hält, glaubt man, ein Herkules zu sein. Black Lives Matter wäre der Kiesel, der leichter zu heben ist. Und so bleibt am Ende mit Stalin, einem Menschenkenner erster Güte, nur festzustellen: “Der Tod eines einzelnen Mannes ist eine Tragödie, aber der Tod von Millionen nur Statistik.” Klingt komisch, ist aber so.

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