Bedingungsloses Grundeinkommen

Das Magazin 37 Grad präsentiert ein romantisches Feature zum Bedingungslosen Grundeinkommen über Linda. Linda hat ihren Job an den Nagel gehangen und ist jetzt “Künstlerin und Speakerin” … Ach du liebe Zeit, ich glaube ich muss da mal kurz was loswerden:

Für die bürgerliche Mittelklasse war schon immer der Status prägend. Durch die 68er kam in Konkurrenz zum Status das Prinzip Selbstverwirklichung dazu.

In der heutigen sog. “Neuen Akademischen Mittelklasse” (Reckwitz) fusionierten in den hochbezahlten kreativen Milieus der Wissensökonomien Status und Selbstverwirklichung.
In diesen sehr wohlhabenden Akademiker-Kreisen gilt es als chic den für das harte Arbeitsleben der Eliten ungeeigneten Teil ihres Nachwuches eine Künstlerkariere zu sponsern.

Ausstellungen und Ateliers sind voll von diesen hochsensiblen Bürgerkindern.
Durch Inflation, Wirtschaftskrise und dem Wegbrechen der großzügigen Kulturförderungen in Deutschland wird es in den nächsten Jahren eng werden für diese Zöglinge aus gutem Hause.

Wenn Vater Staat jetzt auch noch den breiten Massen der Mehr – und Wenigertalentierten dieses Künstlerleben finanzieren wird, passiert etwas ganz dramatisches: Dieses Leben hört auf Bohème zusein. Weil jeder es haben kann, hört es auch auf einzigartig zu sein und wird wie Massentourismus und Aldi.

Die kreative Bourgeoisie wird sich neu Felder für die Entwicklung ihrer zarten Zöglinge suchen müssen.

Woke-Kritik von Links: PMC – “Professional-managerial Class”

Hör-Empfehlung für den linken Podcast “Aufhebunga Bunga”, deren britische Autoren das im Frühjahr auch auf Deutsch erscheinende Buch “The End of The End of History” geschrieben haben.

Hier mal ein Beispiel:
George Hoare und Alex Hochuli vom Bunga-Cast führten ein Gespräch mit Trauma-Expertin Catherine Liu über ihre letzten Bücher.
https://youtu.be/befHbT_caS8

Es ging dabei letztendlich um die schon von Andreas Reckwitz beschriebene “Neue Akademische Mittelklasse”.
Doch während Reckwitz dabei eher wohlwollend deskriptiv ist, gehen diese beiden  Linksradikalen Podcast-Akademiker (u.a. Autoren für “jacobin”) und ihre nicht weniger linke Gesprächspartnerin  äußerst kritisch mit der woken  “Professional-managerial Class” ins Gericht. Unter anderem wegen deren moralischen Überheblichkeit und wegen ihres Klassenantagonismus zur sog. “working class” …

Populismus als Symptom eines politischen Paradigmenwechsels. Andreas Reckwitz im Interview [deutschlandfunk.de]

Andreas Reckwitz im Gespräch mit Wolfgang Schiller über die Krise des Liberalismus. Deutschlandfunk, 09.05.2021.

Vorweg an unsere ostdeutschen Leser: Reckwitz hat wahrscheinlich einen sehr stark westdeutsch geprägten Blick auf unsere Geschichte. Eine Beschäftigung mit seinen Theorien beantwortet jedoch mit Sicherheit einige ostdeutsche Anfragen an den Zeitgeist.

Ich habe trotzdem mal versucht das Interview in ein paar Sätzen zusammenzufassen: Reckwitz sieht die westlichen Gesellschaften vor einem Paradigmenwechsel.
In der Nachkriegeszeit herrschte nach seiner Einschätzung das Paradigma der geschlossenen korporatistischen Gesellschaft. Diese führte zu Verkrustungen bzw. Sklerosierungen, welche nach mehr Öffnungen verlangten. Reckwitz bezeichnet dieses Paradigma den “apertistischen Liberalismus”, welcher auf der kulturellen Seite den progressiven Liberalismus (sexuelle Befreiung, liberalisierte Drogenpolitik, Ehe für Alle) und auf dem Bereich der Wirtschaft den Neoliberalismus hervorbrachte.
Aufgrund starker affektiver Aufladung u.a. auch durch das Aufkommen der sozialen Medien kommt es in unserer Gegenwart zunehmend zu unlösbaren  Kulturkonflikten zwischen Globalisierungsgewinnern und -verlierern. Der Neoliberalismus wird hier zunehmend in die Verantwortung genommen. Aber auch auf rein  wirtschaftlichen Gebiet löst der Neoliberalismus immer mehr Zweifel am Paradigma der Öffnung aus.
Den Rechtspopulismus sieht Reckwitz eigentlich nicht als das neue Paradigma, sondern eher als Symptom der Krise.
Seine Einschätzung, dass neomarxistische Initiativen aus dem Umfeld der US-amerikanischen Campus-Aktivismus wie “Black Life Matters” nicht als linke Identitätspolitik, sondern irgendwie doch noch in eine demokratische Bürgerrechtsbewegung einzuordnen ist kann ich dabei leider überhaupt nicht teilen.
Jedenfalls erwartet Reckwitz als neues Paradigma den einbettenden Liberalismus, bei dem es zwar behutsame weitere Öffnungen geben wird, jedoch noch deutlicher ein starkes Anwachsen “wohlwollender” staatlichen Regulierung von Wirtschafts- und Kulturkonflikten. Die Corona-Krise scheint da für Reckwitz schon ein Vorbote zu sein.

Fazit: Ein sehr empfehlenswertes Interview mit dem Soziologen Andreas Reckwitz in dem dieser herausarbeitet, dass wir uns zur Zeit in einer spannenden Phase des Paradigmenwechsel vom apertistischen zum einbettenden Liberalismus befinden.

https://www.deutschlandfunk.de/die-krise-des-liberalismus-populismus-als-symptom-eines.1184.de.html?dram:article_id=496970