Im Reich der Tiere war nach 1000 Jahren Krieg endlich Frieden eingezogen. Wölfe und Schafe, Füchse und Gänse sowie alle anderen Tiere wollten einträchtig zusammenleben. Der Wolf sprach: „ Wir haben abgeschworen den alten Göttern. Sie sind nicht mehr. Die Schafe sind nun unsere Brüder und Schwestern.“
Der Rote schloss sich an: „Füchse sind in die Ställe eingebrochen und haben die Gänse gestohlen. Das soll nicht mehr vorkommen.“ Auch die Katze miaute: „Die Jagd auf kleine Mäuse war mir ein lieber Zeitvertreib. Damit soll jetzt Schluss sein, denn sie sind Tiere so wie ich.“ Man war allseits sehr zufrieden. Doch nach ein paar Tagen meinte ein Schaf nachdenklich: „Soll es so ausgehen? Da haben die Raubtiere, Wölfe, Füchse und Katzen und gejagt und geschunden und getötet und nun soll alles vergessen sein?“ Die Gänse schnatterten: „Die Mörder sind noch unter uns. Das ist nicht recht!” Die Mäuse piepsten:“ Und ist es nicht so, dass wir immer noch Angst vor ihnen haben müssen? Immerhin haben die Wölfe, Füchse und Katzen noch Zähne und Klauen. Wir haben dagegen nur unser Fell.“ Da antwortete ein junger Wolf: „Ich schäme mich so, dass ich ein Wolf bin! Ich wünschte, ich wäre ein Lamm.“ Eine junge Fähre stimmte ein: „Die Alten sind schuld. Sie wissen noch, wie Gänsefleisch schmeckt!“ Und auch ein Katzenjunges miaute: „Wir müssen lernen, wie Mäuse zu sein und wollen unsere Zähne rausbrechen und uns von Gras ernähren.“ Es begann ein Gejammer und Wehklagen, dass man sich die Ohren zuhalten musste. Endlich sprach ein alter Wolf, der alles beobachtet hatte, grimmig zu sich selbst: „Ein Franzose, dessen Name ich vergessen habe, sagte mir vor langer Zeit: Wenn die Tiere Brüder und Schwestern wären, dann würde man bald finden, dass es ungerechter in der Welt zugeht als je zuvor. Denn wir glaubten dann, dass jede Ungerechtigkeit unser eigenes Werk wäre.”
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